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@ Die Friedenstaube
2025-05-13 09:36:08Autor: René Boyke. Dieser Beitrag wurde mit dem Pareto-Client geschrieben. Sie finden alle Texte der Friedenstaube und weitere Texte zum Thema Frieden hier. Die neuesten Pareto-Artikel finden Sie in unserem Telegram-Kanal.
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Recht gilt als Fundament für Frieden. So predigen es die Lehrer in der Schule und die Professoren an den Universitäten. Mit der – theoretischen – Funktionsweise von Gerichten und deren Streitschlichtungsfunktion wird die Notwendigkeit und Verträglichkeit eines staatlichen Gewaltmonopols hergeleitet. Die Behauptung: Ohne staatliches Recht herrsche Chaos, das Recht des Stärkeren. Das Gedankenspiel des fiktiven Naturzustands, mit dem Hobbes bereits seinen übergriffigen Leviathan rechtfertigen konnte, überzeugt die meisten.
Mit Recht?
Larken Roses Kritik am Gewaltmonopol
Der libertäre Denker Larken Rose („The Most Dangerous Superstition“, deutscher Titel: „Die gefährlichste aller Religionen“, 2018) hält dagegen. Er argumentiert, staatliches Recht sei Ausdruck von Autorität und Zwang und institutionalisiere damit Gewalt. Und in der Tat: Der Staat nimmt für sich kein Friedensmonopol in Anspruch, sondern ein Gewaltmonopol.
Rose verdeutlicht, dass staatliches Recht auf Zwang basiert: Gesetze und Verordnungen können als Drohungen interpretiert werden, die mit Sanktionen, Strafen, Gefängnis oder mancherorts mit Todesstrafe durchgesetzt werden. Für Rose ist der Staat eine Gruppe von Räubern, denen durch den tief verwurzelten Glauben an Autoritäten ein legitimer Anstrich verpasst wird. Diese „Bande“ schaffe ständig Konflikte, etwa durch inszenierte Gefahren, aber auch durch Gesetze. So seien Steuergesetze seiner Meinung nach „legitimierter Raub“, die Widerstand provozieren und damit Unfrieden. Politiker würden sich nach Belieben eigene Regeln schaffen und selbst bestimmen, was gut und was schlecht sei.
Steigt Ihnen angesichts solcher Behauptungen bereits die Röte der Empörung ins Gesicht?
Doch können Sie ihm widersprechen? Können Sie leugnen, dass staatliche Gewalt von Politikern, Apparatschiks und Staatslenkern zum eignen Vorteil eingesetzt wird? Und müssen nicht auch Sie eingestehen, dass daraus Konflikte und Unfrieden entstehen? Hat Rose also Recht?
Rechtsstaatliche Defizite in Deutschland
Um solchen Missbrauch des Gewaltmonopols zu verhindern, gibt es die Gewaltenteilung: die Aufteilung staatlicher Macht in Legislative, Exekutive und Judikative sind Grundpfeiler der Demokratie, in Deutschland verankert im Grundgesetz. Damit diese Gewaltenteilung funktioniert, setzt sie unabhängige Institutionen voraus, insbesondere eine Trennung von der Politik. Haben wir diese in Deutschland?
Unsere Legislative leidet unter Koalitionsdisziplin und Fraktionszwang. Abgeordnete stimmen zu oft nach Parteilinie, nicht nach individuellem Gewissen. Unsere Judikative ist stark politisiert. So werden die Richter des Bundesverfassungsgerichts von einem Wahlausschuss gewählt, der aus Bundestags- und Bundesratsmitgliedern besteht, was eine Einladung für parteipolitische Deals ist – ganz zu schweigen davon, dass die Richter den Parteien oft eng verbunden sind bzw. oft selbst Politiker waren (siehe beispielhaft: Stephan Harbarth, Peter Müller, Christine Hohmann-Dennhardt) und von den regelmäßigen gemeinsamen Edeldiners zwischen Spitzen der Exekutive und der Judikative, die Sie und ich als Bürger zwar bezahlen aber nicht daran teilnehmen dürfen, ausgeschlossen werden, ganz zu schweigen. Besonders kritisch: Unsere Strafverfolgungsbehörden können durch die Weisungsgebundenheit der Staatsanwaltschaften politisch gesteuert werden. Dass der Verfolgungsdruck auf Regierungskritiker immer härter wird, ist mittlerweile offenkundig. Der Deutsche Richterbund forderte erst vor wenigen Tagen einen besseren Schutz der Justiz vor autoritären Kräften. Und auch bei der Exekutive sind die Mängel offensichtlich: So sollen die Behörden eigentlich die Gesetze ausführen, aber diese Anwendung ist allzu oft selektiv und interessengeleitet. Sich daran zu gewöhnen, dass ehemalige Regierungsmitglieder in Führungspositionen von Unternehmen wechseln und damit Interessenkonflikte heraufbeschwören, ist ebenfalls ein Zeichen eines kranken Rechtsstaats.
Und wie sieht es international aus?
Internationale rechtsstaatliche Defizite
In meinem letzten hier veröffentlichten Beitrag beleuchtete ich den Papiertiger des praktisch in Stein gemeißelten völkerrechtlichen Gewaltverbots. Man beruft sich darauf, wenn es einem nützt, und ansonsten ignoriert man es oder bemüht umständliche Ausflüchte, warum es nicht greife. Ähnliches lässt sich beim Internationalen Strafgerichtshof beobachten: Die Staaten, die die heißesten Kandidaten für Kriegsverbrechen sind, werden gar nicht erst Mitglied, und die übrigen folgen seinen Regeln nur, wenn es opportun ist. So hat der IStGH zwar einen Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu erlassen, aber er kann unbeirrt nach Ungarn reisen, obwohl dieses hätte vollstrecken müssen. Es darf meiner Meinung nach aber auch stark bezweifelt werden, ob Deutschland einen Haftbefehl gegen Netanjahu vollstrecken würde. Ein weiteres Beispiel völkerrechtswidrigen Handelns: Die Sanktionen gegen Russland.
Ganz unempört müssen wir leider feststellen: Unsere Schutzmechanismen, den Gewaltmissbrauch zu verhindern, sind mittlerweile arg durchlöchert und angeschlagen. Kann Larken Rose helfen?
Kann Larken Rose helfen?
Rose sieht Steuern als „legitimierten Raub“. In der Tat werden auch in Deutschland etwa die Abgaben für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk falls nötig mittels Gerichtsvollziehern und Haft erzwungen. Ohne Frage handelt es sich dabei um Gewaltausübung, die konfliktträchtig ist. Doch der Staat legitimiert seine Gewaltausübung selbst. Polizeieinsätze gegen Kritiker der Corona-Maßnahmenpolitik erfolgten z.B. mittels grober Gewalt, nämlich Wasserwerfern und Pfefferspray gegen die Demonstranten. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verurteilte Deutschland bereits mehrfach wegen übermäßiger Polizeigewalt. Das sind Beispiele für Roses Vorbringen, dass der Staat Gewalt institutionalisiert, um Gehorsam zu erzwingen – und das erzeugt und verschärft Spannungen und Konflikte.
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\ Rose betont, dass staatliches Recht immer auf Zwang basiert. In Deutschland führt die Nichtbeachtung von Gesetzen – etwa bei Verkehrsdelikten – zu Bußgeldern, Führerscheinentzug oder Haft. Im Völkerrecht erzwingen Sanktionen, wie die gegen Russland, wirtschaftlichen Druck, der für Rose ebenfalls Gewalt ist. Diese Mechanismen bestätigen seine Sicht, dass der Staat Gewalt als Standardwerkzeug nutzt.
Vielleicht hat Ihre eventuell aufgetretene Empörungsröte die Blässe einsichtiger Scham angenommen. Wenn ja, ist das nicht ganz unbegründet. Rose hat völlig Recht damit, dass die buchstäblich gewaltigen Möglichkeiten des Staates gefährlich sein können. Und er hat recht damit, dass blindes Vertrauen darauf, dass Autoritäten mit dieser Gewalt schon maß- und verantwortungsvoll umgehen werden, völlig fehl am Platze ist.
Und auch eine andere zentrale Frage ist gerechtfertigt: Wenn der Staat die Legitimation seiner Macht daraus bezieht, dass die Bürger ihm diese Macht übertragen, wie kann es dann sein, dass der Staat Macht ausübt, die ein einzelner Bürger weder jemals innehat noch innehatte? Ein Paradoxon.
Selbstverantwortung als Heilmittel für den Rechtsstaat
Rose setzt daher statt eines Staates auf Freiwilligkeit und Selbsteigentum. Er betont, dass „Menschlichkeit Freiwilligkeit bedeutet“. Jede Interaktion sollte auf gegenseitigem Einverständnis beruhen, ohne Zwang durch Gesetze oder staatliche Institutionen. Einen Impfzwang schlösse dies also aus. Aber auch einen Tötungszwang in Form eines Kriegsdienstes, bei uns verbal zum „Wehrdienst“ aufgehübscht. Jeder Mensch habe das Recht, über sein Leben, seinen Körper und sein Eigentum zu bestimmen, ohne dass eine „Autorität“ eingreift.
Das klingt gut, aber müsste dieses „Selbsteigentum“ nicht auch wieder durch ein irgendwie geartetes Rechtssystem abgesichert werden? Und besteht nicht die Gefahr, dass statt der Polizei dann ein privates Sicherheitsunternehmen ein neues Gewaltmonopol erschafft? Offensichtlich ist eine völlig widerspruchsfreie Antwort auf das rechtsstaatliche Dilemma nicht so leicht zu finden.
Rose fordert zudem, dass Menschen unmoralische Gesetze ignorieren und aktiv Widerstand leisten, von passivem Ungehorsam bis hin zu gewaltsamen Aktionen, je nach Unterdrückungsgrad. Er sieht dies als Mittel, um die Illusion der staatlichen „Autorität“ zu brechen und Gewalt zu reduzieren.
Bei einigen mag hier bereits wieder die Empörungsröte emporsteigen, aber vielleicht hilft dagegen die Vergegenwärtigung folgender Fragen: War der Widerstand eines Mahatma Gandhi dem Recht eher dienlich oder eher schädlich? Und war der mutige, aber rechtswidrige Ungehorsam Rosa Parks’ eher wünschenswert als nicht? Hat ihr Widerstand zu mehr oder weniger Freiheit beigetragen? Haben uns die rechtswidrigen Offenlegungen Edward Snowdens und Julian Assanges nicht die Augen geöffnet, welche Verbrechen durch demokratische Staaten begangen werden?
Und ist die von Larken Rose eingeforderte Selbstverantwortung und sein Aufruf, dem eigenen Gewissen zu folgen, anstatt „Autorität“ zu gehorchen, nicht genau das Antiserum gegen einen übergriffigen, ja diktatorischen Staat, wie etwa unter der Naziherrschaft?
Selbt als Jurist wird man Rose in vielen Punkten zustimmen müssen und einsehen, dass es in vielen Fällen der Glaube an die Autorität ist, der erst das monströse Unrecht ermöglicht, dessen Zeugen wir sind.
Ich selbst halte es für sehr zweifelhaft, ob man wie Rose daraus die Abschaffung des Staates herleiten kann oder muss.
Nicht zweifelhaft ist hingegen, dass wir eine Stärkung individueller Selbstverantwortung brauchen. Kein Warten auf einen Erlöser, auf eine Partei. Aus dieser Selbstverantwortung heraus folgt die Ausbesserung der gezeigten – auch bei uns vorhandenen – rechtsstaatlichen Defizite.
Recht ohne individuelle Selbstverantwortung führt unweigerlich zu den genannten rechtsstaatlichen Konflikten und damit zu Unfrieden und Gewalt. Recht mit Selbstverantwortung kann hingegen zu einem friedlichen Rechtssystem führen.
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