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@ Monika Wolff
2025-06-13 13:56:02“Dieser Beitrag wurde mit dem Pareto-Client geschrieben.”
„BORN TUBI FREE“ statt „VIEL FREE“
Ja, Sie haben richtig gelesen.
Bildung hatte in meinem Elternhaus keinen hohen Stellenwert. Für meine Eltern war es erstrebenswert, ein gutes Heim mit großem Garten, etwas Komfort und gutes Essen zu haben. Sowohl mein Vater als auch meine Mutter hatten starken Bezug zur Landwirtschaft und Nutztierhaltung. Tiere, die keinen Nutzen hatten, waren in den Augen meiner Eltern Luxus. Auch für mich ist es heute wichtig, Zugang zu Grün und zur Natur zu haben. Ich liebe Tiere, die keinen Nutzen haben, und Pflanzen aller Art. Im Sommer stundenlang unter dem Blätterdach eines alten Baumes zu liegen und dem Knacken der Äste zuzuhören, ist für mich Glück.
In meiner Kindheit gab es blökende Schafe und Lämmer statt Klavierunterricht. Wir kletterten bei der Obsternte auf den Baum oder sammelten Fallobst statt im Sportverein zu turnen. Statt Büchern gab es Besuche bei Tante und Onkel, die Geschichten von früher erzählten. Und statt Museumsbesuchen gab es die Werkstatt meines Vaters und das Hobby meiner Mutter, alte Möbel zu sammeln und selbst zu restaurieren. Die Themen des Lebens lernte ich nicht durch Theateraufführungen kennen, sondern durch den Alltag und die Menschen in meiner unmittelbaren Umgebung.
Durch die Schule kam ich erstmals in Kontakt mit der Möglichkeit, dass man Dinge auch abstrakt-theoretisch lernen konnte. Schule war für mich auch ein Ort, an dem ich ganz nebenbei das Sozialverhalten anderer Menschen studieren konnte. Das war für mich als Kind und Teenager ein wichtiges Korrektiv. Aber vor allem habe ich über die Schule gelernt, dass es eine ganze Welt zu entdecken gab, die mir bis dahin unbekannt war. Bildung war für mich nie etwas, mit dem man angibt. Bildung war für mich ein Geschenk, eine Überraschung, eine Freude, ein Anfang von etwas Neuem, eine Hoffnung, manchmal eine Angst, es nicht zu schaffen, aber immer wieder eine Quelle von Verstehen und neuen Fragen. Bildung ist für mich heute eine riesige Landkarte, die ich nach Herzenslust bereisen kann, wenn ich mag. Auf meiner Landkarte gibt es noch so viele weiße Flecken. Ich habe mein Abitur mit 29 Jahren ohne die emotionale Unterstützung meiner Eltern nachgeholt. Meine Eltern ahnten schon, dass sich nach dem Abitur ein „teures“ Studium anschließen würde. Auch das war in ihren Augen Luxus, denn ich hatte ja bereits eine Ausbildung.
Nach dem Krieg hatten viele Menschen gar nicht die Möglichkeit, Schulbildung zu erlangen. Im Vordergrund stand, einen guten Job zu finden, Kinder zu bekommen und etwas aufzubauen, ein Haus zu bauen, sich Urlaub im sonnigen Süden leisten zu können. Frauen, die in den 60er Jahren nicht heirateten und stattdessen studieren wollten, waren in der Welt meiner Eltern nicht sichtbar. Bildung war eine stille Sehnsucht, an die man nicht mal im Traum denken durfte, so kam es mir in meiner Familie als Teenager manchmal vor. Das muss mit dem materiellen Mangel meiner Eltern in ihrer Kindheit zu tun gehabt haben. Ich habe dieses Phänomen auch bei den Eltern von Freunden oder bei Verwandten beobachten können. Materieller Wohlstand schien wichtiger als irgendwelche fernen Ziele und Horizonte. Erst mit fortschreitendem Alter fingen meine Eltern an, sich hobbymäßig und theoretisch zu bilden. Sie besuchten zwar keine Kurse in der Volkshochschule, aber sie kauften sich Sachbücher zu den verschiedensten Themen oder machten Kulturreisen in die neuen Bundesländer. Das war für sie der pure Luxus. Sie besuchten Schlösser und Burgen, mein Vater liebte es, in rustikaler Umgebung oder in historischen Gebäuden an schön gedeckten Tischen zu essen, während meine Mutter die Holzmaserung der Möbel genau betrachtete und befühlte.
Da ich diesen „Bildungsluxus“ aber deutlich vor meinem Rentenalter haben wollte, nahm ich die zähen Diskussionen mit meinen Eltern wegen einer finanziellen Unterstützung meines Studiums in Kauf. Bildung ist ein Grundbedürfnis von Menschen, das von ganz allein entsteht, wenn es nicht aktiv unterdrückt wird. Das hat die Evolution vermutlich so angelegt, damit man ab und zu auch mal das Gewohnte verlässt, um Neues zu entdecken, weil Flexibilität die Überlebenschancen der Spezies erhöht.
Bildung ist ein Grundbedürfnis, und das machen sich natürlich auch die dunklen Kräfte auf dieser Welt zu Nutze.
Das heutige Bild, das ich zum Artikel gewählt habe, habe ich vor ein paar Wochen in dem Viertel, in dem ich wohne, mit der Kamera aufgenommen. Auf einem Plakat konnte ich „VIEL FREE“ in großen Buchstaben lesen und war sprachlos. Ich wusste gar nicht, was mich so bestürzte, als ich das Plakat sah. Aber ich spürte, dass ich dieses Plakat im Bild festhalten musste, weil irgendeine tiefe Botschaft darin lag, die ich mitnehmen sollte. Manchmal verstehe ich Dinge erst intuitiv und anschließend kognitiv.
Dieses Plakat ist eine Werbung für irgendeinen Freizeitpass o.ä., den man in unserer Region erwerben kann. Aber der Anbieter wirbt mit einer bewusst falschen Rechtschreibung (VIEL FREE). Da ich nicht aus einem Bildungshaushalt komme, könnte mir das herzlich egal sein. Aber was mir nicht egal ist, ist das Gefühl, das ich beim Lesen dieses Plakats bekam. Das war ein Gefühl von einem vollen Nachttopf, den man mir über den Kopf schüttet und dabei noch hämisch grinst. Das Plakat hat mich spontan empört.
Ich dachte sofort an die Geflüchteten aus Syrien und Afghanistan, mit denen ich vor ein paar Jahren gearbeitet hatte. Sie hatten dermaßen Stress mit dem Erlernen der deutschen Sprache gehabt. Oft waren die „Lehrer“ in den Sprachkursen keine ausgebildeten Lehrer gewesen. Die Familienväter und die Teenager der Flüchtlingsfamilien fielen teils mehrmals durch die Prüfungen und hatten Angst, deshalb von der Behörde nicht zum regulären Arbeitsmarkt bzw. zum Gymnasium zugelassen zu werden. Die Mütter blieben zum Glück gelassener. Die bestandene Sprachprüfung war die offizielle Voraussetzung für die Teilnahme am ersten Arbeitsmarkt, so hieß es damals zumindest. Wer den Abschluss nicht hatte, erhielt keine Hilfe beim Schreiben einer Bewerbung. Das „Konzept“ der Maßnahme zur Vermittlung in Arbeit, in der ich damals tätig war, sah dies so vor. Ich kann mich noch lebhaft an die Auseinandersetzung mit meinem Kollegen erinnern, die ich deshalb damals hatte. Diese Logik erschloss sich mir nicht, denn man lernt Sprache doch am besten dort, wo man lebt UND arbeitet. Aber zurück zu dem Plakat. Was ich zum Ausdruck bringen möchte, ist, dass es insbesondere in dem Viertel, in dem ich wohne, viele Menschen mit ganz unterschiedlicher Herkunft und mit Kriegserfahrung gibt, die nicht sicher sind in der deutschen Sprache, für die es nicht hilfreich ist, dass Plakate mit einer fehlerhaften Rechtschreibung für etwas werben. Und von der zynischen Qualität dieses „VIEL FREE“ rede ich noch gar nicht.
Wie soll man in einem Land, das man neu kennen lernen möchte und muss, weil man aus einem Krieg geflüchtet ist, die Sprache lernen, wenn man bewusst fehlerhafte Rechtschreibung vorgesetzt bekommt? Und den angeblichen Wortwitz verstehen doch die meisten gar nicht, weil sie, wie gesagt, weder im mündlichen noch im schriftlichen Sprachausdruck sicher sind. Und niemand möchte sich lediglich „frei fühlen“, sondern lieber tatsächlich „frei sein“, oder nicht? Und echte Freiheit hat sicherlich auch nichts mit irgendeiner Plastikkarte zu tun, mit der ich einen Erlebnispark oder ein Spaßbad aufsuchen kann.
„Frei sein“ bedeutet für mich, dass ich nicht durch psychologische Tricks für etwas interessiert werde, das mich von echter Freiheit ablenken und abhalten soll. Echte Freiheit braucht auch sicherlich keine Plastikkarten mit personenbezogenen Daten. Echte Freiheit bedeutet, dass ich NICHT aus meinem Heimatland durch Krieg vertrieben werde, sondern dass ich mein Leben (und meine Freizeit) nach Lust und Laune so gestalten kann, wie ich das will. Und dazu gehört mehr als ein Besuch im Erlebnispark des Landes, in das ich geflüchtet bin, um zu überleben. Dazu gehört, dass ich die Sprache vor Ort verstehe und selbst sprechen kann, dass ich ein respektierter Teil der Gesellschaft werde, dass ich die gleichen Chancen bekomme wie die anderen, dass ich die finanziellen Mittel habe für Bildung, guten Wohnraum mit Garten und was auch immer, dass ich mobil bin, und dass ich, insbesondere als junger Mensch, meine Familie und eine vertraute Gruppe von Freunden um mich habe. Also „frei sein“ bedeutet, NICHT aus meiner Heimat weggebombt zu werden.
In meiner unmittelbaren Nachbarschaft leben unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in einer Wohngemeinschaft zusammen. Das sind höfliche Jungs so um die 16/17 Jahre. Sie lernen die Welt und das Leben gerade erst kennen. Sie haben keinen leichten Start gehabt, sind aber neugierig auf dieses neue Land, in dem sie nun leben. Sie grüßen freundlich und probieren die neu erlernte Sprache aus. Solche Plakate direkt vor ihrer Haustür sind nicht hilfreich. Diese Plakate versuchen, junge Menschen mit ihrem ganz normalen Bedürfnis danach, Neues zu erleben, abzuholen und in eine aktionsreiche Scheinwelt zu entführen, in der es vermeintlich Freiheit und ganz VIEL Spaß gibt. Solche Plakate sind für mich keine unschuldige Werbung für einfache Freizeitgestaltung. Solche Plakate sind einerseits der dezente Wink in Richtung Konsum und andererseits kognitive Platzhalter, mentale Füllstoffe.
VIEL FREE mit Plastikkarten ist in meinen Augen ein aufdringliches Angebot für willkommene Schmerzvermeidung durch Konsum. Es ist Angriff auf Sprache und Denken. Es richtet sich an junge Menschen, die das, was sie in den letzten Jahren hier oder woanders erleben mussten, vergessen möchten. Nach Kriegen oder staatlichen Übergriffen, so wie in der sogenannten Corona-Zeit, geht es immer für fast alle Beteiligten um das Vergessen. An diesem Punkt sind sich die Dynamik von Trauma einerseits und die Täterstruktur andererseits leider immer einig. Deswegen hat es ja auch in der deutschen Vergangenheit funktioniert, Konsum als Schmerzpflaster auf Wunden aller Art zu kleben.
VIEL FREE ist für mich ein trauriges Zeitdokument, das meine Aufmerksamkeit gefunden hat, weil es das Gegenteil von Freiheit, Genießen, Gemeinschaft und vielem mehr darstellt.
VIEL FREE hat mich an meine Eltern in jungen Jahren und ihre Sehnsüchte erinnert, eine traumatisierte Generation, die alles dafür getan hat, materiellen Wohlstand zu generieren, um sich endlich wieder emotional sicher fühlen zu können.
VIEL FREE erreicht nicht die Herzebene, weil es nicht von Herzen kommt.
VIEL FREE ist eine kostengünstige Zucker-LÖSUNG, die den kleinen Hunger und die stille Sehnsucht nach Heimat, Zugehörigkeit, Sicherheit, Frieden, Glück und vielleicht auch nach Bildung stillen soll. Aber sie macht genau das, was Zucker macht. Sie macht nicht satt, sondern weckt den großen Hunger. Man konsumiert dann das Falsche mit all den Folgen, die das hat. Es ist schwer, aus solchen Kreisläufen wieder raus zu kommen.
Wem dienen diese ungesunden Kreisläufe?
Wem dient dieser Konsum, der nicht satt macht?
Wem dient das Vergessen einer traumatischen Jugend?
Was denkt man alles NICHT, während man mit VIEL FREE als mentalem Füllstoff beschäftigt ist?
Was fühlt man alles NICHT, während man Loopings auf der Konsumschiene dreht?
Was macht man alles NICHT, was außerhalb der vorgezeichneten Freizeitzone liegt, aber auch Spaß macht?
Was ist die gesunde Alternative für junge Menschen, egal welcher Herkunft?
Wie können Angebote insbesondere für junge Menschen, die traumatisiert sind, aussehen?
Wo kann man als junger Mensch kostenlos und ohne eine Institution oder ein „Konzept“ im Nacken mit Gleichaltrigen in der Freizeit „abhängen“ und nebenbei Schafe, Obstbäume und andere Menschen aus sicherer Entfernung beobachten?
Wo gibt es solche unschuldigen Oasen?
Wo kann man Trauma „heilen“ oder zumindest die Voraussetzungen für spätere Selbstheilung schaffen?
Wo wird man nicht mit Zucker-LÖSUNG angefixt?
Wo kann man lernen, den eigenen Körper, die eigenen Gefühle nach Trauma wieder zu spüren, zu regulieren und sich dadurch wirklich frei zu fühlen?
Wer vermittelt der nächsten Generation eigentlich, was wir (in den letzten fünf Jahren) gelernt haben?
Vielleicht geht das erstmal über praktische Angebote, über das persönliche Erleben und später dann über theoretische Bildung. Man muss den Wert von Schafen und Bäumen nicht sofort theoretisch erklärt bekommen. Für den Anfang reicht es, wenn man Zugang zu Schafen und Bäumen bekommt und lernt, wie andere mit Schafen und Bäumen umgehen, also Lernen am Modell. Es müssen auch nicht unbedingt Schafe und Bäume sein, das ist, wie Sie bereits gemerkt haben, nur eine Metapher.
Mich haben Schafe und Bäume in gewisser Weise gerettet. Sie haben mir Verbindung angeboten. Ich konnte diese Verbindung am eigenen Leib spüren. Ich konnte spüren, dass ich bin und auch erahnen, wer ich wirklich bin. Sie waren mir ein verlässliches Gegenüber in schwierigen Zeiten, sie haben mich so oft beruhigt, getröstet und gehalten. Die Natur hört zu, wenn keiner mehr zuhört. Sie nimmt Dich an, egal wer Du bist. Sie bewertet Dich nicht. Sie ist unendlich geduldig und ein super Lehrer für alle Fragen, die einem als Kind so einfallen können. Sie weckt Deine Aufmerksamkeit, Deine Neugier, Deinen Wunsch zu Lernen und zu Verstehen. Sie lenkt Dich ab. Die Natur unterrichtet Dich ganz beiläufig. Ihre Sprache ist das kreative Spiel und die Fülle. Diese Anbindung an die Natur hilft mir bis heute, mit Herausforderungen aller Art klarzukommen. Wenn ich nicht weiter weiß oder mich beruhigen möchte und muss, dann gehe ich in die Natur. Danach ist nicht jedes Problem sofort gelöst, aber ich bin wieder zuversichtlich, dass ich auch diese Welle nehmen kann und über Wasser bleibe. Ich spüre mich dann mit all meiner Kraft als einen Teil dieser Welt. Und genau das wünsche ich vor allem den jungen Leuten in meiner Umgebung, die noch so viel vor sich haben.
Du bist geboren, um Dich als einen Teil dieser Welt kraftvoll und frei zu fühlen.
Du bist ein Stück von dieser Natur, die jeden Tag kreativ spielt und immer reichlich von allem hat.
Man sagt: „Schau auf den Horizont, wenn die Wellen hochschlagen.“
Für mich bedeutet das: Wenn Du Dich mit der Natur verbindest, dann hast Du Orientierung, dann fühlst Du Dich selbst. Und wenn Du Dich und Deine angeborene Stärke fühlst, dann bist Du frei. Dann kann Dir kein Problem etwas anhaben. Die Natur heilt sich und Dich jeden Tag auf`s Neue.
BORN TO BE FREE.
BE FREE.
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