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@ dead_f3
2025-04-24 12:01:07„Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können.“
– Friedrich Nietzsche
Der Mensch wächst nicht aus der Welt – er wird in sie geworfen, ohne Ursprung, ohne Auftrag, ohne Trost. Die Familie erscheint zuerst als Halt, doch sie ist oft der erste Spiegel, in dem man sich selbst nicht erkennt. Man nennt es Liebe, nennt es Bindung – aber vielleicht ist es nur die stille Einweisung in ein Gefängnis, dessen Mauern wie Umarmungen aussehen.
Das Kind als unbestechliche Gegenwart
Das Kind ist nicht die Fortsetzung des Selbst, sondern der Beweis, dass auch das Chaos Nachwuchs hat. Es lacht, weil es noch nicht weiß, was Lachen kostet. Es fragt nicht, weil es noch nicht weiß, dass Fragen selten Antworten finden. Und doch ist es das Kind, das die Ordnung zum Wanken bringt – nicht durch Widerstand, sondern durch seine unbestechliche Gegenwärtigkeit.
Freiheit als Abwesenheit von Rettung
Freiheit beginnt dort, wo man aufhört, sich retten zu lassen. Sie ist kein Zustand, sondern eine Haltung: die Weigerung, sich einer Bedeutung zu unterwerfen, die von außen kommt. Die Welt verlangt Funktion – das freie Leben verweigert sich der Funktion, nicht durch Aufstand, sondern durch Abwesenheit. Wer Sicherheit sucht, hat die Welt bereits verloren.
Die Wahrheit der Einsamkeit
Einsamkeit ist kein Unglück – sie ist der Boden, auf dem das Selbst sich überhaupt erst spüren kann. Sie ist nicht leer, sondern ungeteilt. Was fehlt, ist nicht ein anderer Mensch, sondern die Illusion, dass Nähe uns ganz machen könnte. In der Tiefe des Alleinseins offenbart sich nicht Mangel, sondern Klarheit.
Das Nichts – erkannt, nicht gefürchtet
Ein Kind stellt keine Fragen über das Nichts – es lebt in ihm, ohne es zu wissen. Der Erwachsene aber erkennt es, spürt es wie eine zweite Haut, die nicht abgelegt werden kann. Doch dieses Wissen ist keine Strafe. Es ist die Bedingung jeder echten Handlung. Wer das Nichts kennt, liebt nicht, um sich zu retten – sondern weil er weiß, dass nichts gerettet werden muss.
Alltag, Würde, Form
Ein Leben im Angesicht der Leere ist möglich. Nicht durch Verdrängung, sondern durch Durchschreiten. Die Rolle, die man spielt, wird erträglich, wenn man sie nicht mit Identität verwechselt. Die Arbeit, die man verrichtet, dient nicht mehr dem Fortschritt, sondern der Form – und vielleicht ist darin schon Würde genug.
Das Netz und das Nest
Familie kann ein Nest sein – oder ein Netz. Es hält, oder es hält fest. Doch auch das Netz kann Heimat sein, wenn man nicht mehr erwartet, darin zu fliegen. Ein Kind zu begleiten heißt nicht, ihm Wahrheit zu geben, sondern ihm Raum zu lassen, seine eigene zu verwerfen.
Raum statt Richtung
Freiheit ist kein Ziel, sondern ein Aufhören. Wer nichts mehr will, dem kann nichts genommen werden. Wer das Nichts annimmt, dem begegnet keine Leere mehr – sondern Raum. In diesem Raum entsteht das, was nicht geplant ist, nicht beherrscht und nicht gezählt: der Moment, das Staunen, die Stille zwischen zwei Gedanken. Vielleicht ist genau das genug.
Das Schöne im Erlaubten
Man kann leben mit dem Nichts – wenn man nicht mehr verlangt, dass es Sinn macht. Man kann Vater sein, Mutter, Freund, Fremder – ohne sich zu verlieren. Man kann lachen, weinen, müde sein – ohne Trost zu brauchen. Denn wer dem Nichts ins Auge gesehen hat, der weiß: Alles ist bedeutungslos. Und genau deshalb ist alles erlaubt. Und manchmal, ganz selten, auch: schön.