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@ derKUEKeNFunktionär
2024-10-13 06:41:34Jon Gray untersucht den Zusammenhang von Fortschritt und Utopie, er stellt fest das in den Vorhandenen Fortschrittsvorstellungen immer eine Utopie verborgen ist[1]. Der Fortschritt gibt uns eine Unterscheidung, ein Besser und damit auch ein Schlechter, den Rückschritt und die interessante Frage ist, wie unterscheiden wir das Eine von dem Anderen.
Hier schleicht sich die Utopie ein, sie stellt das Bild, das Kriterium an dem wir diese Unterscheidung vornehmen. Hier sind die Dinge positiv Bestimmt. Diese positive Bestimmung ist immer Gewalt, die positive Bestimmung ist eine Form in die das Gegebene gepresst werden muss, das ist schmerzhaft und reduzierend.
Hier ein paar einfache Beispiele:
Dieser dort ist ein Ausländer. Ein Nazi. Ein Putin Versteher. Eine linke Zecke. Ein roter Apfel.
Der rote Apfel kann sich wenigstens nicht diskriminiert fühlen, aber er ist auch ein potentieller Baum, eine hoch strukturierte Menge Zellen, die gemeinschaftlich an der Reproduktionsarbeit des Organismus teilnimmt.
Es läßt sich jedoch eine andere Fortschritts Begriff konstituieren, eine Psychedelische Partei der 90’er war Fortschritt[2] ihre Bestimmung von Fortschritt ist: “Fortschritt ist die positive neu Verschaltung der Nervenzellen”, “Fortschritt ist Reinigung durch Kunst”, “Fortschritt liebt Natur.” Hier erkennt man, das dieser Begriff des Fortschritts an unsere Gefühle appelliert. Das positive der neu Verschaltung der Nervenzellen ist nicht ausgesprochen und damit fixiert sondern erkannt.
Wenn wir an das “inteligible an sich sein” der Dinge denken, wird uns klar das die Dinge nur bestimmt werden können in dem uns durch die Wahrnehmungsorgane gegebenen Kategoriensystem, d.h. wir sehen nicht die Dinge sondern wir sehen von den Dingen was unser Wahrnehmungssystem von ihnen registrieren kann. So weit Kant, und wirklich weiter sind wir nicht. Wenn wir aber nicht die Dinge sehen, dann haben wir auch keine Vorstellung von ihnen, keine die den Dingen entspricht, nur eine, die der Art entspricht wie wir die Dinge Wahrnehmen. Das ist die Landkarte, das, wie es Donald Hoffmann nennt, Interface[3]. Und so ist natürlich jeder Vorstellung von der Wirklichkeit nie die Wirklichkeit selbst, auf der Hand liegt das so jede Positive Bestimmung der Art X ist ein Y nie wahr sein kann, denn Y liegt nicht in der Welt von X sondern auf der Landkarte und, so ein X zu einer Selbstbetrachtung fähig ist, wird es in seiner Betrachtung mit der Zuschreibung von Y nicht zu frieden sein, da es sich selbst nicht in Y erschöpft sieht[4].
Hier liegt die Gewalt der positiven Bestimmung: In der Reduktion und der falschen Zuschreibung. Das wir dies als ein Problem erkannt haben, jedoch nicht in seiner vollen Tragweite, ist an den diversen diversivitäts und Sprach Debatten der heutigen Zeit erkennbar. Zurecht fühlt sich niemand richtig wohl mit den Zuschreibungen, denn sie können nicht treffend sein.
Kants Ausweg war die negavitve Metaphysik, eine negative Bestimmung ist auch eine Bestimmung. Sie hat die allgemeine Form X ist kein Y und mag unbefriedigend klingen jedoch können eine Menge dieser Bestimmungen sich über ein X legen und damit eine Form, eine Gestalt erkennbar machen. Es ist ein “Sieh hin und du weißt.”[5]. Ein “klarmachen ändert”. Wie die Musik appelliert es an ein Vorsprachliches Verständnis.
Wenn derKUEKeN die Vorstellung von Fortschritt definieren durch die Frage:
Wie kann unsere Gesellschaft aufgebaut und strukturiert sein, sodass sie unseren Kindern eine gute Gesellschaft und Gemeinschaft bietet? …
Dann ist die Antwort nicht … Als gute Gesellschaft möge die Fähigkeit gelten, unsere Kinder zu wahreren, klügeren und besseren Menschen zu machen, als wir es sind.
Die Antwort, was der Fortschritt in seine Essenz ist, lautet: Es ist eine Freude anzuschauen.
Die Methode der Bestimmung ist insofern eine wichtige, da sie die Weiche stellt, eine positive Bestimmung führt in den Nominalismus[6] oder den Universalismus mit allen daraus folgenden Konsequenzen. Den Weg muss man nicht gehen. Eine Bescheidenheit wie sie uns “Denken ist Glückssache” nahelegt scheint viel angemessener. In diesem Glück erscheinen uns die imanenten Wesenheiten, das intelligible Substrat. Und “Deren kritische Fassung durch Kant ist der Punkt, von dem aus allein es wahren Fortschritt geben kann: Fortschritt jenseits reduzierenden Denkens.”[7] Die Reduktion, ob universalistisch oder nominalistisch motiviert, operiert auf der Landkarte. Diesen Kategorienfehler gilt es zu vermeiden:
“Kants negative Bestimmung der Essitia rerum verbietet einerseits, die reale Welt reinem seins als ihrer cause prima zu Unterwerfen …”[8], wendet sich zum einen gegen den Universalismus, “… Anderreseits wiederspricht sie nicht weniger radikal der nominalistischen Verpflüchtigung Methaphysischer Wesenheiten.”[9] Das Denken muss sich auf diesem Kritischen Punkt[10] bewegen, in einem Koexistenzgebiet zwischen den Phasen: “… Es ist nur dann wirklich human, wenn es seinen personalen Träger primär als Zweck an sich selbst und niemals bloß als Mittel behandelt.”[11] Dieses Koexistenzgebiet ist der Übergang, hier gilt es zu verharren. Wir sind Mittel und Zweck der Verantwortung[12].
“Vorstellungen über die letzten Dinge verbietet die Negative Methaphysik die zu ihr hinführt. Als kritsche Philosophie kann sie keinerlei inhaltliche Beschreibung liefern: weder vom inneren der Natur noch gar von einem Göttlichen oder von einer Endsituation der Menschheit.”[13] Jedes Eschatologische Denken wird so ausgeschlossen, es gibt keine Vollendung. Ein Fortschritt ist auch ohne Utopie möglich, und so fixiert Haag den Fortschritt in der Philosophie:
“Die geistige Überwindung der einen wie der anderen Form von philosophischem Irrationalismus, zu denen alle späteren Systeme bloße Variationen darstellen, verlangt die Erkenntnis, daß der Schritt in die Sphäre des metaphysischen Grundes von sich aus kognoszibler Dinge nur negativ vollziehbar ist.”[14]
[1] J. Gray, Black Mass: Apocalyptic Religion and the Death of Utopia, 2007, https://books.google.de/books?id=qNAnAAAAYAAJ 9.34 Ende: “Lacking this insight, neo-liberals turned classical economics into a utopian ideology.”
[2] Fortschritt, Fortschritt - Partei der extremen Mitte, http://www.cashvote.com/.
[3] Donald D. Hoffman, The Interface Theory of Perception, in: Current Directions in Psychological Science, 25,3, 2016, S. 157–161, https://doi.org/10.1177/0963721416639702.
[4] Der Nazi sieht sich als guten Kumpel.
[5] Hans Verfasser Jonas, Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation, 1. Aufl., Frankfurt am Main 2003 (Suhrkamp Taschenbuch, Teil 3492), https://d-nb.info/966483308/04. Seite 235
[6] vgl. “radikale Nominalisierung”
[7] Karl Heinz Haag, Der Fortschritt in der Philosophie, 1. Aufl., Frankfurt am Main 1983, http://digitale-objekte.hbz-nrw.de/storage2/2019/04/07/file_25/8311494.pdf. Seite 199
[8] Haag, ebd. Seite 200
[9] Haag, ebd. Seite 200
[10] Wikipedia, Kritischer Punkt, https://de.wikipedia.org/wiki/Kritischer_Punkt_(Thermodynamik).
[11] Haag, [Anm. 7]. Seite 200
[12] Nur wenn wir uns selbst genauso verantwortlich sind wie den Kindern, Können wir den Kindern gegenüber verantwortlich sein. Denn durch uns wird die Verantwortung vermittelt.
[13] Haag, [Anm. 7]. Seite 200
[14] Haag, ebd. Seite 201